Warum reden wir über Polyamorie? Und wie können monogame Paare davon profitieren?
In unserer Kultur ist das monogame Beziehungsmodell das Idealbild. Gleichzeitig erleben viele monogame Paare, dass ihre Sexualität einschläft oder unharmonisch ist und dass Beziehungen häufig dann scheitern, wenn einer der beiden Partner fremdgeht. Fremdgehen leitet aber nicht zwingend das Ende einer Beziehung ein und es ist auch kein Zeichen dafür, dass die Beziehung grundsätzlich schlecht ist. Es deutet auf einen ganz anderen Zusammenhang hin und kann ein Neuanfang für die Beziehung sein.
Warum geht man fremd?
Zum einen ist da unsere Biologie. Unsere Gehirne sind so beschaffen, dass sie sich für das Neue interessieren, für das Fremde, für diese Aufregung, die in dir entsteht, wenn du dich beim Kennenlernen eines neuen Menschen ganz neu erlebst. Das genießen wir und das zieht uns an. Auch die Hormone, die dabei entstehen, die aufregenden Hochgefühle. Das gibt uns die Wahrnehmung lebendig und gewollt zu sein.
Aber auch in sozialer Hinsicht gibt es Gründe, warum wir in monogamen Beziehungen einsam werden können. Wir sind Wesen, die aus Verbindungen Sinn und Selbstwahrnehmung ziehen und wir brauchen mehr als eine Bezugsperson im Leben. Das müssen jetzt nicht gleich mehrere Liebespartner*innen sein, aber grundsätzlich gilt: Menschen, die sich gut und tief mit anderen Menschen verbinden können, sind im Leben zufriedener.
Gerade in der Sexualität ist das so, dass viele Menschen (gerade Frauen) besonders empfänglich auf das Neue reagieren und Forscher*innen wie Emily Nagoski oder Daniel Bergner erklären, warum Frauen (genau wie Männer) rein biologisch nicht nach einem einzigen Partner streben, sondern vielfältige Erlebnisse und Erfahrungen suchen.
Viele Paare berichten davon, dass der Sex weggeht, dass da weniger Lust ist und häufig ein Missverhältnis entsteht zwischen den Partnern. Die Frau, die scheinbar keine Lust mehr hat und der Mann, der frustriert ist, weil er mehr sexuellen Kontakt mit seiner Frau sucht. Dieses Missverhältnis kann auf beiden Seiten zu sexueller Unzufriedenheit führen. Das hat nicht den Grund, dass Frauen grundsätzlich weniger Lust haben. Die Lust entsteht nur auf andere Weise. Und die Monogamie ist ein Modell, dass gerade für Frauen häufig lustreduzierend wirkt.
Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass sexuelle Exklusivität nicht für alle Menschen Sinn macht. Für einige kann es schwierig bis unmöglich sein, ihre sexuellen und emotionalen Bedürfnisse in klassischen monogamen Beziehungen zu befriedigen. Und das erklärt, warum mehr und mehr Menschen sich offenen oder polyamoren Liebesmodellen zuwenden.
Wenn du herausfinden möchtest, welches Liebesmodell das für dich richtige ist, dann kannst du hier eine kostenlose Erstberatung mit einem unserer Coaches vereinbaren.
Was haben Monogamie und Polyamorie gemeinsam?
Es ist egal, in welchem Modell ich augenblicklich meine Beziehung lebe: Die Fragen, die sich Paare stellen sollten, sind stets die gleichen:
Welche Bedürfnisse haben wir?
Wir kommen wir in einen kontinuierlichen und konstruktiven Dialog?
Wie lösen wir unsere Konflikte partnerschaftlich?
Wie bekommen wir beide den Raum, um unser eigenes Wesentliches zu entdecken und uns in dieser Welt richtig und geborgen zu fühlen?
Wie erleben wir unsere Sexualität und was brauchen wir beide in dieser Hinsicht?
Ob nun monogame, offene oder polyamore Beziehung, alle Paare profitieren davon, wenn sie den Mut finden, das jeweils Unsagbare auszusprechen, wenn sie anfangen sich gemeinsam und jeweils individuell neu zu entdecken. Das ist herrlich aufregend und bringt Schmetterlinge in Hülle und Fülle – auch nach vielen Jahren Ehe.
Buchtipps: Emily Nagoski „Komm wie du willst“, Wednesday Martin „Untrue“, Christopher Ryan und Cacilda Jetha „Sex at Dawn“, und Daniel Bergner „Die versteckte Lust der Frauen“.