Raus aus der Streitfalle: Wie du Konflikte wirklich löst

Konflikte in Beziehungen sind normal und unvermeidbar. Das ist ein Fakt und ihn  anzuerkennen, ist wichtig. Denn gerade unsere Versuche, Konflikte um jeden Preis zu vermeiden, sie zu ignorieren oder sie herunterzuspielen, verhindern eine echte Lösung. Dann laufen wir Gefahr, denselben Streit immer wieder zu führen – oft ohne genau zu wissen, warum wir eigentlich streiten. 

Die gute Nachricht: Du kannst dein Konfliktverhalten ändern. Es gibt Konzepte und Werkzeuge, die wahre Konfliktlösung möglich machen. 

Warum entstehen Konflikte?

Zu Konflikten kommt es aus verschiedenen Gründen. Zum Beispiel bei unterschiedlichen Meinungen oder Bedürfnissen. Oder weil ein Partner mit sich selbst im Unreinen ist und das auf Beziehung projiziert. Oder weil Überforderung aufgrund zu vieler konkurrierender Aufgaben besteht. Oder weil wir einfach ständig aneinander vorbeireden. 

Konflikte entstehen schneller, wenn in der Beziehung eine grundlegende Unzufriedenheit herrscht. Zum Beispiel, wenn die Sexualität nicht mehr erfüllend ist, oder wenn es ein konstantes Ungleichgewicht bei den Verantwortlichkeiten gibt. Je voller das Fass schon ist, desto weniger Tropfen braucht es zum Überlaufen. Und genau deshalb sind ungelöste Konflikte so schädlich. Wenn wir Konflikte gar nicht oder nur oberflächlich bearbeiten, dann leeren wir das Fass nicht. Es bleibt dann stets randvoll und der kleinste Anlass reicht, um einen neuen Streit auszulösen.

Die innere Haltung: Bewerten vs. Verstehen

Die größte und wichtigste Veränderung, die du in deinem Konfliktverhalten vornehmen kannst, ist deine innere Grundhaltung. Sie bestimmt den Ausgang und die Auswirkungen eures Konflikts – viel mehr noch als deine Worte. Du kannst selbst wählen, welche Grundhaltung du in einem Konfliktfall einnehmen willst. 

Gesellschaftlich antrainiert wird uns die Haltung des (moralischen) Analysieren und Bewerten: Was ist gut, was ist böse? War hat recht, wer hat unrecht? Was ist richtig, was ist falsch? Das funktioniert quasi automatisch: Wir urteilen unheimlich schnell über andere und auch über uns selbst. In dieser Haltung geht es um „müssen”, „sollen“ und „dürfen“. Es geht um Lob und Strafe, um Gewinner und Verlierer. Das hat etliche negative Konsequenzen. Wir bekommen große Angst davor, Fehler zu machen oder sie zuzugeben, weil wir uns vor Schuld, Scham und Strafe fürchten. Gleichzeitig generieren diese Gefühle wieder neue Konflikte, denn wir fühlen uns unfair behandelt und werden defensiv und ressentimentgeladen. Du siehst: Selbst wenn du einen Streit „gewinnst“, verliert ihr eigentlich beide. Ihr verliert Augenhöhe, Nähe, Vertrauen und Wohlwollen.

Wie kannst du es anders machen? Eine Alternative zum Bewerten bietet die sogenannte Gewaltfreie Kommunikation (GFK). Bei dieser Haltung liegt der Fokus darauf, die Gefühle und Bedürfnisse zu verstehen, die dem Konflikt zugrunde liegen – und zwar sowohl deine als auch die des anderen. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass jedes Verhalten auf Bedürfnissen basiert. Mit Bedürfnissen sind dabei Werte oder Anliegen gemeint, also zum Beispiel Sicherheit, Gemeinschaft, Freiheit, Nähe, Wertschätzung oder Struktur. Vielleicht merkst du schon jetzt, dass diese Sichtweise viel mehr Wärme und Empathie für deine Partnerin ermöglicht. Denn Bedürfnisse sind universell: Alle Menschen kennen alle Bedürfnisse, auch wenn sie sich natürlich darin unterscheiden, welches Bedürfnis ihnen wann wie wichtig ist. 

Bedürfnis ≠ Lösungsstrategie

Konflikte entstehen also nie auf der Bedürfnisebene. Sie entstehen auf der Ebene der Lösungsstrategien, das heißt durch die Art, wie wir versuchen ein Bedürfnis zu befriedigen. Es gibt unzählige Möglichkeiten, ein und dasselbe Bedürfnis zu erfüllen. Stell dir zum Beispiel mal vor, wie viele Wege dir einfallen, das Bedürfnis nach Genuss zu erfüllen. Schokolade essen, eine Massage bekommen, Wein trinken, an einer Rose riechen, Selbstbefriedigung … Die Liste der Lösungsstrategien ist endlos. Wenn einer von euch mit der Strategie des anderen nicht einverstanden ist – weil dadurch ein eigenes Bedürfnis verletzt wird – dann entsteht ein Konflikt.

Durch die Haltung des Verstehens lässt sich aber nun viel schneller eine Lösung finden. Denn Augenhöhe und Empathie bleiben trotz Konflikt bestehen und dadurch suchen wir fast automatisch nach eine Win-Win Lösung. „Verlierer“ gibt es also nicht mehr. Selbst wenn wir mal keine Strategie finden, um all unsere Bedürfnisse zu erfüllen, ist die Kommunikation darüber wichtig. Denn schon allein das Verständnis und die Zugewandtheit des anderen können sehr wohltuend sein. 

Hör deinen Gefühlen zu  

Diese empathische Haltung kommt auch deiner Selbstfürsorge zugute. Und zwar nicht nur, weil sie die Spannungen in deinem Alltag reduziert, sondern weil sie Kontakt und Zugang zu dir selbst und zu deinen Gefühlen erfordert. 

Unsere Gefühle signalisieren, ob Bedürfnisse gerade erfüllt (angenehme Gefühle) oder verletzt (unangenehme Gefühle) sind. Sie sind also wichtige Informationsquellen. Das heißt, sowohl unangenehme als auch angenehme Gefühle sind wertvoll und willkommen. Sie sind überlebensnotwendige Wegweiser. Wichtig ist zudem die Erkenntnis, dass Gefühle durch einen inneren Prozess entstehen, nämlich durch deine Bewertung, ob ein Bedürfnis erfüllt oder verletzt ist. Deine Gefühle werden also nicht durch jemand anderen verursacht. 

Dementsprechend sind Formulierungen nach dem Muster „Ich fühle mich..., weil DU…“ nicht korrekt. Ehrlicher und hilfreicher ist die Aussage „Ich fühle mich…, weil ICH etwas brauche oder weil MIR etwas wichtig ist.” Durch diese Haltung übernimmst du Verantwortung für deine Gefühle und wirst dadurch unabhängiger und eigenständiger. Außerdem treibst du deinen Partner nicht in die Defensive, sondern erlaubst ihm, dich zu verstehen, statt sich zu rechtfertigen. 

Eine gelungene Konfliktlösung beinhaltet also

  • das Verstehen und Klären deiner eigenen Gefühle und Bedürfnisse 

  • das Mitteilen dieser Gefühle und Bedürfnisse 

  • das empathische Zuhören, um die Gefühle und Bedürfnisse des Gegenübers wirklich zu verstehen

Wenn du dir professionelle Begleitung beim Lösung von Konflikten wünschst,
kannst du
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Die 4 Schritte der Gewaltfreien Kommunikation

Die GFK liefert ein Schema, anhand dessen du dich in Konfliktsituationen so ausdrücken kannst, dass die verstehende Haltung in dir und in deinem Gegenüber begünstigt wird. Es besteht aus vier Schritten: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis & Bitte. 

  1. Beobachtung

    Eine Beobachtung gibt die Fakten wieder, ohne jegliche Interpretation. Sie ist quasi die Situation aus Sicht einer Videokamera. Zum Beispiel:  „Dort liegen Socken auf dem Boden“ statt „Es ist unordentlich“. Manchmal kann es auch eine innere Beobachtung sein, wie „Ich denke gerade an unser Gespräch vom letzten Samstagabend.“ 

  2. Gefühl

    Benenne die Gefühle, die die Situation in dir auslöst. Achte darauf, dass es wirklich Gefühle sind. So ist zum Beispiel „Ich habe das Gefühl, dass…“ kein Gefühl, sondern ein wertender Gedanke. Wenn du noch kein ausreichendes Vokabular für deine Gefühlswelt hast, dann such dir eine Gefühlsliste im Internet und nimm sie zu Hilfe.

  3. Bedürfnis

    Benenne das Bedürfnis, das hinter deinem Gefühl steht. Auch hier kann eine Liste hilfreich sein. Eine gute Übersicht über Gefühle und Bedürfnisse findest du zum Beispiel hier

  4. Lösung/Bitte

    Formuliere, wie dein Bedürfnis erfüllt werden könnte. Bitten sollten immer positiv formuliert, konkret und lösungsoffen sein. Das heißt, du sagst dem anderen klar, was er tun kann, bist aber auch bereit für andere Vorschläge. Wichtig: Wenn du merkst, dass du gar nichts vom anderen brauchst, dann sprich auch das aus. Etwa so: „Mir geht’s jetzt schon besser, weil ich das sagen konnte. Du brauchst nichts zu tun.“ Denn sonst könnte beim anderen eine Handlungsaufforderung oder Kritik ankommen, die du gar nicht meinst. 

Die größte Wirkung und die beste Chance wirklich verstanden zu werden, hast du, wenn du alle vier Schritte in einer Aussage miteinander verbindest – ohne Unterbrechung und ohne Auslassungen. Ein Beispiel: „Wir sind auf der Landstraße und du fährst 160. Ich merke, ich hab Angst, weil mir wichtig ist, gesund anzukommen. Ist es okay für dich, wenn du auf unserer gemeinsamen Fahrt so +/- 10 die Geschwindigkeitsbeschränkung einhältst?“

Empathie ermöglicht Entdeckung 

Dieser offene und intensive Austausch erlaubt auch das Entdecken von zuvor verborgenen Bedürfnissen. Oder von grundlegenden Unzufriedenheiten, die, wie bereits erwähnt, das Anspannungslevel auf einem dauerhaft hohem Niveau halten können. Um sie erkennen oder aussprechen zu können, braucht es einen hinreichend geschützten Raum, den es nicht geben kann, solange ihr im Bewertungsmodus feststeckt. Erst die gegenseitige Empathie ermöglicht den Blick auf tiefer liegende Bedürfnisse. Erst dann wird klar, um was es bei euren Konflikten wirklich geht. Und nur dann besteht die Chance auf eine wirklich nachhaltige Lösung. 

Mit einer Haltung der Empathie und des Verständnisses machst du bereits einen riesigen Schritt heraus aus der Streitfalle. Dennoch kann dieser Artikel natürlich nur einen ersten Überblick liefern. In der Praxis gibt es durchaus einige Feinheiten und Fallstricke, die es zu lernen und zu beachten gibt.

Stephan Aschenbrenner - Couple Care Coach

Genau dafür gibt es im Praxisprogramm Couple Care persönliche Begleitung. Dort gehen wir detailliert und anhand eurer echten Konflikte auf die einzelnen Schritte der friedlichen Konfliktlösung ein. Zusätzlich teilen wir viele weitere Tools und entscheidende Erkenntnisse zum Thema Kommunikation. Im Kommunikations-Coaching-Call begleitet GFK-Trainer Stephan Aschenbrenner dich dabei, Konflikte friedlich zu lösen.

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