Gedankenspirale Beziehung: So gelingt der Ausstieg.

Wenn wir Beziehungsprobleme erleben, entstehen oft negative Gedankenspiralen. Meist fängt das Ganze mit einer womöglich kleinen Irritation an. Vielleicht hat deine Partnerin¹ vergessen, den Geschirrspüler auszuräumen. Von außen betrachtet mag das kein Anlass für starke Gefühle oder Gedanken sein. Aber du spürst sofort Wut oder Enttäuschung. Du denkst so etwas wie: „Sie macht das mit Absicht. Sie ignoriert mich.  Sie drückt  sich um lästige Hausarbeiten. Unser Zuhause ist ihr nicht wichtig.“  

Sobald wir diese negative Brille einmal aufgesetzt haben, färbt sie in der Folge unsere gesamte Wahrnehmung. Auf einmal erscheinen alle Handlungen und Worte unserer Partner*innen in einem anderen, dunkleren Licht. Es entsteht eine Art Generalverdacht, der jedes Verhalten auf mögliche negative Absichten prüft.

Du bist jetzt auf der Suche nach Belegen dafür, dass deine Befürchtung stimmt. Auf einmal geht es nicht mehr nur um den Geschirrspüler. Wenn deine Partnerin später ihre Schuhe im Flur stehen lässt, siehst du es als weiteres Indiz dafür, dass sie euer gemeinsames Zuhause bewusst vernachlässigt. Und wenn sie dich dann fragt, wie dein Tag war, erscheint dir die Frage fast zynisch. So funktionieren negative Wahrnehmungsspiralen.

Eins führt zum anderen, einzelne Situationen werden generalisiert, das Wohlwollen schwindet und unsere Aufmerksamkeit verschiebt sich. Wir werden zum Detektiv für das Schlechte und sammeln immer mehr Beweise für unsere negativen Vermutungen. 

Erinnerst du dich an das letzte Mal, als du eine spiralförmige Rutsche hinuntergerutscht bist?

Falls ja, weißt du vielleicht noch, dass du zum Ende hin immer schneller wurdest. Abwärtsspiralen nehmen meist rasch Fahrt auf. Und weißt du noch, wie du dich gefühlt hast, als du unten angekommen bist? Wahrscheinlich war dir ein wenig schwindelig, vielleicht sogar übel. Vielleicht war deine Sicht leicht verschwommen.

Das ist als Metapher ziemlich passend, denn auch bei gedanklichen Spiralen geht uns eine klare Sicht auf unsere Partner*innen und unsere Beziehung verloren. Mit zunehmender Geschwindigkeit verrennen wir uns in negativen Annahmen und Interpretationen.

Und auf einmal stehst du vor dem vollen Geschirrspüler und fragst dich: „Kann diese Beziehung überhaupt noch funktionieren?“  Die Gedankenspirale hat dich in hohem Tempo zu fundamentalen Zweifeln geführt. Selbstverständlich können Beziehungszweifel berechtigt sein. Entstehen sie jedoch aus einer solchen Negativspirale, ist Vorsicht geboten. Denn Gedankenspiralen sind –  wie Rutschpartien – häufig desorientierend und irreführend.

Ablenkung – ja oder nein? 

Ein erster und häufig naheliegender Ausweg aus Gedankenspiralen ist Ablenkung. Das ist grundsätzlich gar keine schlechte Taktik. Allerdings kommt es sehr darauf an, wie diese Ablenkung aussieht. Einen Spaziergang machen, einen Podcast hören, eine Freundin anrufen – das alles können hilfreiche Formen der Ablenkung sein. Sie bringen uns auf andere Gedanken und geben uns eine Atempause. Manchmal reicht das schon aus, um die Eskalation der Spirale zu stoppen.

Es gibt aber auch Formen der Ablenkung, die weniger ratsam sind: übermäßiges Essen oder  Alkohol- und Drogenkonsum zum Beispiel. Als Leitfrage kann man sich hier immer fragen: „Tue ich gerade mit meinem Verhalten etwas Gutes für mich und meinen Körper?“  oder „Würde ich dieses Verhalten einem Freund empfehlen?“ 

Glaube nicht alles, was du denkst!

Wenn wir uns oft in denselben Spiralen wiederfinden, sollten wir jedoch versuchen, die Gründe für unsere Irritationen zu entdecken. Warst du an dem Morgen einfach gestresst oder verbirgt sich hinter deinem Ärger über den Geschirrspüler vielleicht ein Bedürfnis, was schon seit längerem unbefriedigt ist? Wünschst du dir mehr Ordnung? Oder brauchst du vielleicht eine  Umverteilung der Aufgaben im Haushalt, weil du aktuell überlastet bist?

Statt der negativen Brille lohnt es sich, die neugierige Brille aufzusetzen.

Sowohl uns selbst als auch unseren Partner*innen gegenüber. Statt Annahmen über deren Motivation zu machen, können wir offen fragen, was sie dazu bewegt hat, bestimmte Dinge (nicht) zu tun. 

Auf diese Art können wir die negativen Gedanken als Informationsquelle nutzen, ohne zu glauben, dass sie wirklich „wahr“  sind. Zurück zum Beispiel des Geschirrspülers könnte das so aussehen: Dein negativer Gedanke war: „Sie macht das mit Absicht, weil ihr unser Zuhause einfach nicht wichtig ist.“ Im Austausch mit dir selbst und mit deiner Partnerin wird dann aber klar: Es ist nicht wahr, dass deiner Partnerin euer Zuhause egal ist. Aber es ist wahr, dass du dir mehr Entlastung im Haushalt wünschst. Das ist ein lösbarer Konflikt. 

Uns selbst und andere in diesen Situationen urteilsfrei zu befragen, kann eine ziemliche Herausforderung sein. Hierbei hilft Achtsamkeit. Die meisten Menschen können Achtsamkeit durch Übungen, wie beispielsweise Meditationen, erlernen und trainieren. Es gibt hierfür mittlerweile zahlreiche Apps und andere Ressourcen. Achtsamkeit erlaubt uns, die Vorgänge in unserem Gehirn klarer wahrzunehmen und dadurch Distanz zu unseren Gedanken zu bekommen. Gedanken kommen und gehen ununterbrochen. Zu verstehen, dass sie uns nicht definieren und nicht immer der Wahrheit entsprechen, kann uns helfen, sie zu hinterfragen und leichter loszulassen. 

Wenn du gerade in einer Negativspirale festhängst und dir professionelle Begleitung wünschst, dann kannst du hier eine kostenlose Erstberatung mit einem unserer Coaches vereinbaren.

Die neugierige Brille

Ein weiterer Ausstieg aus der negativen Gedankenspirale kann sein, bewusst eine neugierige Perspektive einzunehmen. Also quasi zum Detektiv für das Gute zu werden und Gegenbeweise für unsere negativen Vermutungen zu sammeln. Wir können aktiv versuchen, das Verhalten unserer Partner*innen wohlwollend zu interpretieren und uns in Empathie üben. Das soll nicht das Ausmaß von Leugnung oder Selbsttäuschung annehmen. Es ist vielmehr eine Art bewusste Gegenbewegung, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen.

Vielleicht siehst du so erst, dass deine Partnerin zwar den Geschirrspüler vergessen, aber dafür den Müll runtergebracht hat. Oder dir fällt wieder ein, dass sie an diesem Morgen ein wichtiges Meeting hatte und vermutlich abgelenkt war. 

Die neugierige Brille erlaubt, dass wir uns trotz leichter Reibungen wieder liebevoll unseren Partner*innen zuwenden können und keine schädliche Kettenreaktion entsteht.

Besonders schön daran: Auch positive Gedanken können sich selbst verstärken und zu einer Art Aufwärtsspirale werden. Damit erschaffen wir umso mehr Puffer gegen die kleine und großen Irritationen des Beziehungsalltags.  


¹ Im Sinne der besseren Lesbarkeit wird die männliche oder weibliche Form gewählt. Fühl dich unabhängig davon bitte angesprochen, wo es dich betrifft.

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