Gute Gründe für eine monogame Beziehung

Ein Lob auf die Monogamie

In den heutigen Debatten um verschiedene Beziehungsmodelle wird manchmal der Eindruck erweckt, dass die Monogamie überholt und antiquiert sei. Auch wir bei Couple Care werden manchmal so wahrgenommen, als wollten wir alle Menschen zur Polyamorie „bekehren“. Das ist nicht der Fall. 

Ja, wir finden, dass ein offener Umgang mit den Monogamie-Alternativen unserer Gesellschaft guttut – denn Vielfalt bringt uns weiter. Wir wissen aber auch, dass Menschen so unterschiedlich sind, dass es nie die eine Beziehungsform geben wird, die zu allen passt. Und wir sind überzeugt davon, dass die Monogamie ihren berechtigten Platz in der Riege der Beziehungsmodelle hat. Für viele Menschen ist sie genau das Richtige. 

Was ist (deine) Freiheit? 

Als Argument gegen die Monogamie wird häufig das Grundbedürfnis nach Freiheit angeführt. So einfach ist das aber nicht. An sich sind Bedürfnisse in der Tat eine ziemlich universelle Angelegenheit. Wir alle verspüren die meisten Bedürfnisse irgendwann einmal in unserem Leben. Wie wichtig uns ein bestimmtes Bedürfnis ist, wie wir es befriedigen und wie sehr es unseren Alltag prägt, ist hingegen sehr individuell. Was Freiheit bedeutet, kann sich von Person zu Person stark unterscheiden. Für einige mag es so sein, dass sie sich dann frei und lebendig fühlen, wenn sie sich in neue Menschen verlieben oder mit ihnen Sex haben dürfen. Andere dagegen spüren Freiheit genau dann, wenn sie wissen: „Nur dieser eine Mensch ist mein*e Partner*in. Ich muss nicht weitersuchen - und ich muss nicht ständig mit verschiedenen Menschen über die intimsten Dinge kommunizieren und einchecken, wie es jedem geht. Ich kann mich anderen Dingen in meinem Leben zuwenden in dem Vertrauen, dass dieser Aspekt stabil ist.“

Ganz egal in welchem Beziehungsmodell du gerade lebst, lohnt es sich, zu erforschen, wann du dich eigentlich wirklich frei und lebendig fühlst. Denn was der einen Freiheit ist, ist des anderen Gefängnis. Auch wenn Bedürfnisse universell sind, so sind doch die Strategien, wie wir sie befriedigen, sehr spezifisch. Und nicht immer haben wir die optimale Strategie schon gefunden.

Komplexität verringern

Das moderne Leben ist komplex. Eine enorme Vielzahl von Rollen, Aufgaben, Zielen und Erwartungen prägen unseren Alltag. Viele von uns „verhandeln“ bereits täglich mit unseren Vorgesetzten, Kindern, Eltern, Freunden und natürlich auch Partner*innen. Denn jede Beziehung braucht Kommunikation, Kompromiss und Kooperation. Mit mehr Partner*innen kommt noch einmal mehr Bedarf nach Absprachen; die Komplexität erhöht sich. Das kann in einer so vernetzten Gesellschaft schnell zu viel werden. Besonders in stressigen Lebensphasen kann es passieren, dass man sich inmitten all dieser Beziehungen verliert und sich selbst vernachlässigt. Sich in der romantischen Dimension des Lebens auf nur eine Person konzentrieren zu dürfen, kann daher wirklich wertvoll und entlastend sein.

Wir sind keine Roboter

Nicht alle Menschen funktionieren gleich. Wir sind keine Roboter, die alle dieselbe Software haben. Was uns Freude bereitet, was wir aufregend, beängstigend, inspirierend, oder auch sexuell erregend finden, ist so einzigartig wie unser Fingerabdruck. Unsere Persönlichkeit entwickelt sich aus einem komplexen Zusammenspiel aus Erbgut und Erfahrungen. Daher finden es bei weitem nicht alle Menschen spannend, neue Partner*innen zu haben. Wieso sollten sie sich also in ein offenes Beziehungsmodell pressen?

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Lebensgeschichte ist Beziehungsgeschichte

Zudem machen leider viele Menschen schon in ihrer Kindheit sehr belastende Beziehungserfahrungen. Wer als Kind lernt, dass Liebe rar oder unbeständig ist, entwickelt ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit, Stabilität und Vorhersehbarkeit. Das ist kein Defekt, sondern eine logische und normale Überlebensstrategie. Für diese Personen macht die Monogamie häufig absolut Sinn. Sie kann das geben, was man als Kind vermisst hat, kann heilen und den Selbstwert stärken. Offene Beziehungsformen können hier hingegen schnell das (alte) Gefühl triggern, mit anderen in Konkurrenz zu stehen, sich Liebe verdienen zu müssen, oder um seinen Anteil an Liebe kämpfen zu müssen. Diese starken Emotionen und inneren Prozesse können sehr  viel Energie ziehen . Sich ihnen jeden Tag auszusetzen, kann zu einer großen Belastung oder sogar Quall werden. Oft ist es viel effektiver, diese Kräfte auf anderes zu verwenden.

Tradition hat Wert

Die Monogamie ist die traditionelle Beziehungsform der westlichen Kultur. Es besteht kein Zweifel daran, dass sie über Jahrhunderte unsere Gesellschaft strukturiert hat und dies auch heute noch tut. Ihre Rituale wie Hochzeiten und Symbole wie Ringe gehören zu unserem kulturellen Erbe. Es ist völlig legitim, wenn es Menschen wichtig ist, diesen Traditionen zu folgen. Schwierig wird es nur, wenn versucht wird, anderen eine Tradition aufzuzwingen. Oder wenn sie befolgt wird, ohne zu reflektieren, ob sie die eigenen Überzeugungen widerspiegelt. Ist beides nicht der Fall, so ist auch Tradition selbstverständlich ein Wert, an dem man sein Leben ausrichten darf. 

Beziehungsmodelle sind keine Charaktereigenschaften

Menschen sind nicht monogam oder polyamorös. Sondern, sie entscheiden sich dafür, monogam oder polyamorös zu leben. Das sind Entscheidungen, keine Persönlichkeitsmerkmale. Daran wird deutlich, dass hier nichts in Stein gemeißelt ist. Die Wahl einer Beziehungsform ist zeitlich spezifisch. Das heißt, sie geschieht zu einem bestimmten Augenblick unseres Lebens, zu dem wir an einem bestimmten Punkt unserer Entwicklung stehen und zu dem bestimmte Bedürfnisse besonders präsent sind. All das kann sich ändern. Und zwar in beide Richtungen. Sich als Person weiterzuentwickeln, heißt nicht, automatisch in Richtung Polyamorie zu schreiten. Es kann auch das genaue Gegenteil passieren. 

Denn Polyamorie ist nicht die Erleuchtung, sondern eine Möglichkeit unter vielen. Jedes Beziehungsmodell ist nur insofern „richtig“ als dass es Menschen dabei hilft, zu wachsen, zu genießen und glücklich zu sein. Die Monogamie kann all das für sehr viele Menschen erfüllen und ist damit so zeitgemäß wie eh und je. 

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Was macht eine polyamore Beziehung aus?

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Regeln für Polyamorie? Die 7 Prinzipien einer polyamoren Beziehung