Sexleben verbessern: Wie funktioniert Lust?
Jeder Mensch ist ein einzigartiges sexuelles Wesen. Wie deine Sexualität funktioniert, hängt von den Anlagen ab, die du mitbringst, aber auch von all den Erfahrungen, die du im Laufe des Lebens gesammelt hast. Also davon, wie du gelernt hast, etwas als sexuell relevant wahrzunehmen.
Das System der Lust
Emily Nagoski beschreibt in ihren Buchpublikationen und ihren Forschungsarbeiten sehr anschaulich, wie unser Gehirn in sexueller Hinsicht besser funktioniert. Sie erklärt das wie folgt: In jedem Gehirn gibt es zwei unterschiedliche Systeme, die für die sexuelle Erregung relevant sind. Beide Systeme sind permanent aktiv und suchen deine Umgebung danach ab, was sexuell relevant sein könnte. Wenn dein System der sexuellen Erregung (SES) ein solches relevantes Signal wahrgenommen hat, gibt dein Gehirn den Impuls „Erregung“, es erfasst und bewertet also alles, was dich antörnt. Wir könnten auch sagen, dieses System ist dein Gaspedal für die Produktion von Lust.
Das System der Unlust
Parallel und völlig unabhängig davon läuft ein anderes System, das der sexuellen Hemmung oder Inhibition (SIS). Das erfasst alle Signale außerhalb und innerhalb deines Körpers, die dir den Impuls geben, jetzt bitte nicht sexuell erregt zu sein. Sofort abtörnen. Das ist z.B. nützlich, wenn du krank bist oder wenn plötzlich die Mutter ins Zimmer kommt, während du gerade…. Das ist also dein System der sexuellen Bremse.
Sexuelle Erregung besteht also aus zwei Prozessen, nämlich aus der Aktivierung des Gaspedals und aus der Deaktivierung der Bremsen. Dein Grad der Erregung hängt davon ab, wie empfindlich deine SIS und SES Werte sind. Es wird angenommen, dass du mit einer bestimmten Empfindlichkeit zur Welt kommst und diese dann weitgehend über die gesamte Lebenszeit gleich bleibt.
Manche Menschen haben einen hohen SES-Wert. Sie sind also leicht und schnell erregbar und haben aber ebenfalls einen hohen SIS-Wert, das heißt die Bremsen springen schnell an und verhindern die Erregung.
Mein Partner will mehr Sex als ich. Warum?
Manche Menschen haben bei beiden Werten eine niedrige Empfindsamkeit. Also wenig Empfindsamkeit für Erregung, aber auch wenig Bremsen, was im Ergebnis zu durchschnittlich viel Sex führen kann. Das kann ein Grund sein, warum der Partner/ die Partnerin mehr Sex möchte als du, oder warum du mehr Sex möchtest als dein Partner/deine Partnerin.
Und natürlich kann es sein, dass einer der beiden Werte höher ist als der andere. Hohe Erregbarkeit bei kleiner Bremse führt dazu, dass ein Mensch tendenziell viel Sex haben möchte. Geringe Erregbarkeit mit einer sehr empfindlichen Bremse wird dazu führen, dass der Mensch wahrscheinlich wenig sexuelle Erregung spürt. Diese Kombination ist nur bei sehr wenigen Menschen der Fall und kann ein Grund für sexuelle Unlust sein.
Die meisten Menschen (also über 90 %) haben einen mittleren SIS und SES- Wert. Nur wenige liegen tatsächlich außerhalb dieser Norm.
Wenn Sexualität in deiner Beziehung ein Tabuthema ist und du das verändern möchtest, kannst du hier eine kostenlose Erstberatung mit einem unserer Coaches vereinbaren.
Haben Männer oder Frauen mehr Lust?
Der Unterschied zwischen Männern und Frauen besteht darin, dass Männer tendenziell einen höheren Erregungs-Wert haben und Frauen tendenziell einen höheren Bremsen-Wert. Häufig wird angenommen, sexuelle Unlust sei bei Frauen generell größer. Das stimmt so nicht, denn: Der Unterschied innerhalb der Gruppen ist viel größer als der Unterschied zwischen Männern und Frauen im Durchschnitt.
Insgesamt können wir sagen: Es gibt eine Vielzahl an sexuellen Temperamenten. Frag 1000 Frauen, wie oft sie gerne Sex haben wollen und du hörst alles zwischen NIE und fünf Mal am Tag.
Grundsätzlich musst du wissen, beide Systeme arbeiten getrennt voneinander. Es kann also durchaus sein, dass Antörner und Abtörner gleichzeitig da sind. Das kennst du bestimmt auch. Du spürst irgendwie Lust in dir aufsteigen. Und es passiert eine Kleinigkeit, das Telefon klingelt oder dein Partner kommt ins Zimmer und schon ist die Erregung wieder weg. Das hat etwas mit deinen Bremsen zu tun, darauf wie empfindsam sie sind und auf welche Signale sie gelernt haben zu reagieren.
Wie bekomme ich mehr Lust?
Es ist nützlich, wenn du deine SES-, und SIS-Werte kennst, um zu verstehen wie du funktionierst. Aber jetzt kommt noch etwas dazu. Und zwar sind nicht nur deine Bremsen und dein Gaspedal verantwortlich für deine Erregung. Sondern ganz entscheidend auch der Kontext, in dem du gerade Signale wahrnimmst.
Der Kontext wird bestimmt durch die äußeren Umstände und durch die innere Gemütsverfassung, also deine Gehirnzustände. Hier ein paar Beispiele, dafür wie der Kontext Einfluss auf deine sexuelle Lust hat:
Wenn dich dein Freund kitzelt, während ihr gerade mit Zeit im Bett liegt und schmust, dann ist das für dich möglicherweise ein sexuell relevanter Reiz. Wenn er dich kitzelt, während du dich gerade fertig machst, um das Haus zu verlassen, dann nervt dich das Kitzeln vermutlich, der gleiche Reiz, völlig andere Wahrnehmung.
Körpergeruch: es gibt Momente, da liebst du vielleicht den Achselschweiß deines Partners und es gibt Momente, da denkst du: iiih, geh dich bitte waschen! Gleicher Geruch, andere Wahrnehmung.
Am Anfang einer Beziehung freust du dich über die lustigen Macken des anderen, ein Jahr später bist du genervt. Gleiche Macke, unterschiedliche Wahrnehmung. Was hat sich geändert? Dein Kontext.
Was du im Bett gerne magst, das ändert sich also je nach den äußeren Umständen und der inneren Verfassung. Je besser du dich darin auskennst, umso eher kannst du Einfluss auf den Kontext nehmen und ihn langfristig so gestalten, dass du besseren und erfüllenderen Sex erlebst. Sexuelle Unzufriedenheit kann also gelöst werden. Dafür ist es wichtig, dass du dich selbst besser kennenlernst und darüber mit deinem Partner kommunizierst. Jeder Mensch kann seine Potentiale in diesem Feld heben oder um es mit Emily Nagoski zu sagen: „Du bist einzigartig mit echtem Potential zur Großartigkeit.“
Wenn du also mehr Ektase in dein Leben einladen willst, dann ist deine Aufgabe, Kontexte zu erkennen, in denen dein Gehirn die Welt als einen sexy Ort wahrnimmt. Und du darfst lernen, diese sexy Kontexte herzustellen.
Finde heraus, was ist dein persönlicher sexpositiver Kontext?
Im richtigen Kontext kann Sexualverhalten das Schönste sein, dass ein Mensch erleben kann. Es kann uns an unsere Partner*innen binden und mit Glückschemikalien überfluten, tiefe biologische Bedürfnisse befriedigen und uns in spirituelle Höhen katapultieren. Im falschen Kontext kann sich Sex buchstäblich anfühlen, wie zu sterben.
Und deshalb ist die Entdeckungsreise in die Welt der Sinnlichkeit so überaus lohnend!